Freitag, 11. September 2009

Der Europäische Gerichtshof und das staatliche Glücksspielmonopol

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das staatliche Monopol für Sportwetten im Internet in Portugal bestätigt. Laut eines Berichts des Handelsblatts werden die Bürger durch staatliche Anbieter vor Betrug und anderen Straftaten geschützt. Das Monopol sei auch vereinbar "mit dem grundsätzlich in der EU geltenden freien Dienstleistungsverkehr". Die Fußball-Liga Portugals und der Wettanbieter Bwin hatten dagegen klagt.

Ob das Gericht mit diesem Urteil wirklich den Bürger vor Betrügern schützt? Das Verbot wird wohl kaum einen Spieler abhalten, ihre Wetten bei einem Anbieter zu platzieren, der ihnen eine bessere Quote oder das interessantere Spiel bietet. Erhalten bleibt vor allem die rechtliche Grauzone, in der Spieler ihre Einsätze tätigen. Rechtsprechung im Namen staatlicher Institutionen ist halt noch lange keine Rechtsprechung im Namen des Volkes.

Staatliche Lotterien feiern das Urteil als Sieg, selbstverständlich auch in Deutschland. Erwin Horak, Präsident der Staatlichen Lotterieverwaltung Bayern und Vorsitzender des Rechtsausschusses, kommentierte das Urteil: "Es bestehen nun überhaupt keine Zweifel mehr an der europarechtlichen Zulässigkeit des deutschen Glücksspielstaatsvertrages."

Dabei ist das letzte Wort darüber noch nicht gesprochen. Die EU-Kommission sah in dem deutschen Verbot von Internetwetten durch die Neufassung des Glücksspielvertrags Anfang 2008 einen Verstoß gegen EU-Recht und hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Es wird also noch einmal vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt.

Ehemalige deutsche Anbieter wie der Online-Lottovermittler Tipp24 AG gewinnen dem Urteil des EuGH positive Seiten ab. Das Urteil verlange eine nationale Regelung, die kohärent und systematisch sei, erklärte Tipp24-Chef Jens Schumann gegenüber Spiegel online. Das aber sei in Deutschland nicht der Fall: "Bei uns dürfen Privatanbieter Spielautomaten betreiben und im Internet Pferdewetten anbieten - Online-Lottodienste dagegen sind verboten." Und eben das hatte die EU-Kommission vor knapp einem Jahr kritisiert.

Der Glücksspielvertrag hat aber offenbar noch einen weiteren Haken. Die Lotterien erwirtschaften weniger Geld als zuvor und können entsprechend weniger an soziale Einrichtung weitergeben. Die Tageszeitung Welt verweist auf Berechnungen des Lottoverbands, nach dem die Umsätze um 30 Prozent im Vergleich zu 2005 zurückgegangen seien. Der Grund dafür seien die strengen Werbe- und Vermarktungsauflagen. "Die Auflagen machen es uns sehr schwer, die Öffentlichkeit zu erreichen", klagt ARD-Fernsehlotteriechef Christian Kipper in der Welt.

Via Pokergeeks bin ich noch auf einen Bericht aus der FDP-Pressestelle über eine Veranstaltung in Berlin gestoßen, in der die "Konsequenzen des Glücksspielstaatsvertrags – Folgen des Monopols & Chancen einer Liberalisierung des Glücksspielmarktes" verhandelt wurden.
Es traten jede Menge Experten auf, Fachanwälte aus dem In- und Ausland, Verhaltensforscher und Professoren, die sich mit dem Glücksspielmarkt beschäftigen. Lesenswert, und nicht nur, weil der sportpolitische Sprecher sowie sucht- und drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion "eine zeitgemäße Neuregelung" forderte, "die Internetspiele wie Sportwetten und Online-Poker aus Sicht der Spieler und Veranstalter entkriminalisiert..." Ja, das wäre zeitgemäß, und das klingt eigentlich nicht nach einer unlösbaren Aufgabe für die Politik. Aber die hat ja manches gemeinsam mit einem Glücksspiel - gerade im Wahlkampf.

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