Donnerstag, 15. Oktober 2009

Den Millionären beim Spielen zusehen

Es ist ein reichlich absurdes Vergnügen, seine Lebenszeit damit zu verschwenden, Millionären beim Spielen zuzusehen - insbesondere in einer Zeit, die jedes Maß für personelle Einkommensverteilung verloren hat. Einige putzen für 4,61 oder 5,71 Euro, vielleicht auch noch für einen Euro mehr, während in der deutschen Fußballnationalmannschaft mehrfache Millionäre kicken. Gegen Finnland taten sie das gestern Abend sehr pragmatisch. Millionen vor den Fernsehgeräten und 51.500 Zuschauer im ausverkauften Hamburger Stadion, das, wie sollte es anders sein, HSH-Nordbank-Arena heißt, sahen ihnen dabei zu. Es war also ein in jeder Hinsicht zweifelhaftes Vergnügen, und wenn du dir dann noch vorstellst, dass du dafür 40, 50 oder sogar mehr Euro hingeblättert hast. Bad beat, baby - die erste Halbzeit war ja nicht mal im Fernsehen zu ertragen.

Natürlich machen wir das ständig. Wir sind die Zuschauer. Wir schauen Millionären beim Spielen zu. Ich bin da keine Ausnahme. Ich interessiere mich für Sport, also schaue ich Basketball, Football, Fußball, und bei den NBA-Playoffs bin ich über Wochen bis tief in die Nacht wach. Da fehlte Poker gerade noch. Das lässt sich inzwischen auch vielen Kanälen verfolgen. Als ich mir gestern das Fußballspiel zu langweilig wurde, schaltete ich um auf youtube und schaute Poker, die WSOP 2009, und erfuhr so ganz nebenbei, wo eine Reihe von Pros wie Esfandiari, Laak, Greenstein und noch einige andere in Las Vegas ihr Zuhause haben, in den Panorama Towers.



Sowas erfährst du also, auch wenn du nicht sicher bist, ob es dich nun weiter bringt in deinem Leben, jetzt, da du weißt, dass die Aussicht aus deinem Fenster nicht mithalten kann. Zumindest aber habe ich kein Eintrittsgeld bezahlt, was auch fürs Zuschauen beim Online-Poker gilt. Online kannst du Nacht für Nacht verfolgen, wie sich die High-Stakes-Pros wie Phil Ivey, Gus Hansen, Tom Dwan und andere gegenseitig die Moneten abjagen. Es kostet nicht mehr als deine Zeit.

Und es gibt noch einen wesentlichen Unterschied. Auf der Fußballtribüne findet sich ja der Typus Zuschauer, der in seinem ganzen Leben noch nicht einmal gerade gegen einen Ball getreten hat, ohne sich dabei den Zeh zu brechen oder andere Mitspieler schwer zu verletzen. Jetzt sitzen sie auf der Tribüne mit einer mittelprächtigen Plautze und schwingen Reden, als könnten sie es besser als die Luschen auf dem grünen Rasen. Diesen Typus findet sich, glaube ich, besonders häufig unter Fußballfans. Beim Basketball und beim Eishockey ist die körperliche Dominanz durch schiere Größe oder dicke Panzerung vermutlich zu eindrucksvoll, als dass sich der Bier trinkende Tribünenbesucher zu solchen Vergleichen hinreißen ließe. Jedenfalls können die Schlaumeier auf der Tribühne noch so hirnrissige Sachen von sich geben, nie müssen sie den Beweis antreten, ob sie es wirklich besser können.

Wenn wir beim Pokern den Millionären zuschauen und etwas unserer kostbaren Lebenszeit dran geben, dann schwingt vielleicht Faszination über die Höhe der Einsätze mit, bei manchen der Wunschtraum, eines Tages selbst zum Beispiel Phil Ivey in einem Turnier gegenüber zu sitzen. Was immerhin schneller Realität werden kann als in jedem anderen Sport. Manche Online-Railbirds benehmen sich zwar nicht anders als der Zuschauer auf der Fußballtribüne. Sie hassen, sie lieben, sie regen sich auf. Aber die Pros schenken ihnen eh keine Aufmerksamkeit, außer sie heißen Mike Matusow. Daran erinnerte kürzlich Paul McGuire. In Zeiten, als die Blinds an den höchsten No-Limit-Tischen noch im Vergleich zu heute schmale $50/100 betragen hatten, sei Matusow sich nie zu schade gewesen für einen verbalen Schlagbatausch mit den Railbirds oder seinen Gegnern. Das sei zwar unterhaltsam gewesen, aber irgendwie habe sich Dr. Pauly auch geschämt. Wer schaue schon freiwillig und unbezahlt beim Online-Poker zu?

Tatsächlich haben wir diesmal eine Legitimation. Wir sind wie die Wissenschaftler und Bildungsfanatiker, die das Fernsehen verteufeln und selbst natürlich nur zu Studienzwecken einschalten. Wir schauen, weil wir etwas lernen wollen. Wir können durch Beobachtung tatsächlich besser werden, oder reden uns das zumindest ein. Und am Ende können wir selber spielen, wenn uns das Zuschauen zu langweilig wird. Das wäre gestern eigentlich der beste Rat für die Zuschauer in Hamburg gewesen: Stürmt den Rasen und spielt selber. Wie in dem folgenden Clip, mit der eine Bank für ihre vermutlich fragwürdigen Geschäfte wirbt - immerhin hat Tennis-Legende Guillermo Vilas einen Kurzauftritt und einen Spieler zerlegt es recht hübsch nach einem Schmetterball. Was beim Pokern auch gelegentlich vorkommen soll. Vermutlich ist Poker einfach unser favourite waste of time.

Keine Kommentare: